Neuer Bauernstand - Gespräch mit Simon Unternährer

«Der Mensch sieht und spürt vieles besser als eine Maschine.»

Im Gespräch mit dem Sohn des Verwaltungsratspräsidenten der Ueli-Hof AG


Als Enkel von Walter Unternährer, der mit der Einführung des Labels «Natura Beef» 1980 Pionier-Arbeit leistete, trat Simon schon früh in die Fussstapfen seiner Familie. Im Mättiwil grossgeworden, verbrachte er schon als Kind viel Zeit beim Rindvieh im Stall. Auch heute noch, wenn es die Zeit neben seinem Vollzeitstudium an der Fachhochschule HAFL – Hochschule für Agronomie, Forst- und Lebensmittelwissenschaften – zulässt, trifft man ihn bei den Kühen und ihren Kälber. Wir schauen mit Simon in die Glaskugel über die Zukunft des Bauernstands.


Simon, was war deine Motivation, denselben Beruf wie dein Vater und dein Grossvater zu wählen?

Nach drei Jahren an der Kantonsschule konnte ich mir nicht vorstellen, nochmals drei Jahre lang die Schulbank zu drücken. Anstatt auf die Matura hinzuarbeiten, wählte ich den unüblichen Weg einer Lehre. Ich schnupperte als Landschaftsgärtner, aber letzten Endes machte mir das Bauern mehr Freude. So startete ich die dreijährige Lehre als Landwirt auf verschiedenen Bio-Höfen. Das erste Lehrjahr verbrachte ich in einem familiären Milchwirtschaftsbetrieb, gefolgt von einem relativ grossen Bio-Hof mit Ackerbau und 80 Mutter-Schweinen. Im 3. Lehrjahr war ich im Werk- und Wohnheim in Mettmenstetten tätig - ein diverser Betrieb mit Milchvieh, Mastschweinen, Pensionspferden, Obstbau, Gärtnerei und Kleintieren. Dort erhielt ich auch einen Einblick in die Arbeitsagogik. Nach der vielfältigen Lehre wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte und absolvierte gleich im Anschluss die Berufsmatura.


Welche Veränderungen beobachtest du im Berufsbild des Bauers im Vergleich zu früher?

Der Beruf des Bauers geht weit über die landwirtschaftliche Nutzung zur Erzeugung von Lebensmitteln hinaus. Der Bauer ist auch Unternehmer. Und da hat sich einiges getan in letzter Zeit: Durch den Strukturwandel sterben kleinere Betriebe aus, werden aufgeteilt und an grössere verpachtet, auch weil sie teilweise keine innerfamiliäre Nachfolge haben. Fehlende Investitionen machen einen Hof für einen möglichen Nachfolger oder Pächter uninteressant. Ich denke, dieser Wandel wird in den nächsten Jahren so weitergehen.

Der Bauer wird aber nicht aussterben. Die Bevölkerung muss mit Nahrung beliefert und das Land bewirtschaftet werden. Wenn man als Betrieb gut aufgestellt ist, hat man sehr gute Chancen, sich weiterzuentwickeln. Wir müssen flexibel bleiben und mit zukunftsträchtigen Lösungen den Herausforderungen in die Augen sehen.


Hält die Digitalisierung auch im Alltag des Bauern Einzug?

Die Digitalisierung schreitet enorm voran und geht je länger desto mehr in Richtung Automatisierung. Rund die Hälfte neuer Melksysteme sind Melkroboter. Diese melken zu jeder Zeit vollautomatisch. Wenn die Kuh Druck auf dem Euter verspürt und durch das Lockfutter angelockt wird, kann sie den Melkroboter aufsuchen. Gleichzeitig sammelt der Melkroboter viele Daten wie Milchtemperatur oder Zellzahlen und gibt Hinweise auf die Gesundheit des Tieres. Das hilft dem Bauer, rechtzeitig zu reagieren. Es hängt von der Betriebsleitung ab, wie weit sie die Technologie einsetzt und wie sie mit so viel Datenmaterial umgehen kann. Meines Erachtens ist es eine Gratwanderung: Wie weit will man von Systemen abhängig sein? Stammt das Produkt noch aus dem Handwerk oder ist es schon stark industrialisiert? Ich glaube, der Mensch sieht und spürt besser als Maschinen – es geht ja um ein Naturprodukt.


Welche Herausforderungen siehst du für den zukünftigen Bauern?

Ganz viele: Im Moment schauen wir ein wenig in die Glaskugel. Neben dem anhaltenden Strukturwandel wissen wir noch nicht, was mit dem Klimawandel auf uns zukommen wird. Aktuell arbeiten wir wie bisher. Aber wenn die Trockenperioden häufiger werden und mehr Unwetterereignisse eintreffen, müssen wir uns schon auf anderes gefasst machen und neue Ansätze finden.


Womit können wir Gegensteuer geben?

Wichtig ist, dass wir mit geschlossenen Kreisläufen arbeiten. Dass wir auf Futterimport verzichten, kein Kunstdünger einsetzen und die Tiere nur das essen, was wir natürlich produzieren. Ich glaube, das sind die effektivsten Massnahmen des Bauern, um das System zu bremsen. Konsumentinnen und Konsumenten können einen Beitrag leisten, indem sie regionale Produkte konsumieren statt den globalen Trends nachzueifern. Bio-Produkte stehen bei ihnen hoch im Kurs. Sie sind Zeichen des Trends zu einem nachhaltigeren Leben. Die Bevölkerung verlangt Erzeugnisse, die über ein Produkt in der Plastikschale des Grossverteilers hinausgehen. Sie setzt sich mit der Geschichte eines Produkts auseinander und tauscht sich am Tisch über die Herkunft des Fleisches aus. Deshalb weiss ich, dass Ueli-Hof seit Jahren auf dem richtigen Weg ist.


Apropos: Wirst du die Zukunft von Ueli-Hof gestalten?

Mein Studium dauert im Idealfall noch 2.5 Jahre. Was danach kommt? Das ist eine gute Frage. Mein Vater Ueli und meine Mutter Lydia sind beide erst 52 Jahre alt. Ich behalte mir alle Wege offen, habe ich doch noch genügend Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Bis dahin nutze ich die Gelegenheit, mich in der Vielfalt des Berufs weiterzuentwickeln.